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Strache? Erledigt! Was bleibt? Ein bislang unbekannter Regisseur eines Schmierentheaters hat die Macht eine europäische Regierung zu stürzen.

Volk Ballhausplatz 2019 05 18 500

 

Dass alle Oppositionsparteien sich auf den neuerlichen Wahlkampf freuen, ist demokratiepolitische Normalität, denn sie müssen jede Chance nutzen, sich zu verbessern. Dass die Medien so eine Wendung willkommen heißen, ist zwingend logisch, denn sie sind die Gewinner jeder Wahl, dank erhöhtem Werbeaufkommen und garantiert skandalträchtigen Schlagzeilen.

 

Es ist schon etwas kurios, dass der Politologe Prof. Peter Filzmaier den Kanzler Kurz, der sofort auf Neuwahlmodus geschaltet hat, kritisierte: „Es war wenig geschickt von ihm Stunden über Stunden abzuwarten.“ Das klingt so, als müsste man politische Kompetenz mit der Stoppuhr messen: wer ist der schnellste, der auf eine Provokation reagiert? Gerade ein Politologe sollte eigentlich imstande sein abzuwägen, welche Möglichkeiten daraus folgen könnten oder sollten. Doch schon am Sonntag wusste Filzaier in seinem Krone-Kommentar: „Letztlich war der Weg in Neuwahlen seine einzige Möglichkeit.“ (Quelle: Kronenezeitung, 19. Mai 2019, S. 10f)

 

Und die Moral von der Geschicht? Moral kennt die Politik offensichtlich nicht. Wenn zwei Spitzenpolitiker nach dem Outing ihres Totalversagens umgehend die Konsequenzen ziehen, so haben sie zuletzt moralisch richtig gehandelt. Wer nun meint, solche Personen dürften überhaupt nicht in politische Funktionen gewählt werden, kritisiert kein moralisches Versagen, sondern einen Systemfehler. Und Teil dieses Systems, das auf unserer Verfassung basiert, sind alle Parteien. Es ist das System, das diesen Typus von Politiker produziert, der als Apparatschik Eigen- und Partei-Interessen über die Interessen seines Landes stellen muss um sich in seiner Partei zu bewähren bevor er eine gewichtige Position im Staat einnehmen kann.

 

Das gilt auch für unseren Bundeskanzler und leider auch für unseren Bundespräsidenten, wie die Analyse ihrer Neuwahl-Ansprachen am Sonntag zeigt.

 

Ad Bundespräsident Alexander van der Bellen (Zitiert nach Transkription von neuwal.com)

 

Drei Mal spricht der Präsident von Vertrauen: „Ich habe gestern gesagt, dass das, was hier passiert ist nicht Österreich ist. Und, dass ich mein Vertrauen in Teile der Bundesregierung verloren habe. Und daher besteht die Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler, dass jetzt der richtige Schritt für Österreich ist, vorgezogene Neuwahlen abzuhalten.“ Und: „Jetzt muss alles getan werden um das Vertrauen in unsere Amtsträger, in die Vertreter des Volkes in der Politik wiederherzustellen. Es geht jetzt ausschließlich um das Wohl unseres Landes und um unser Ansehen Österreichs in der Europäischen Union und der ganzen Welt.“ Und: „Wir alle, die wir der Republik dienen, haben ausschließlich im Blick zu haben, dass es nun einen Neuaufbau des Vertrauens braucht.“

 

Zunächst hat der Präsident sein Vertrauen in „Teile der Bundesregierung“ verloren. Dieser Teil und sein Klubobmann sind zu dem Zeitpunkt schon zurückgetreten. Doch das reicht nicht aus, es muss „alles getan werden um das Vertrauen in die Vertreter des Volkes in der Politik wiederherzustellen.“ Wie bitte soll das gehen? Werden etwa alle Parteien ihre Kader auswechseln? Welchen Prüfungen werden die alten und neuen Kader unterzogen, um Vertrauen aufzubauen? Wie soll ausgerechnet eine Neuwahl mit den weitgehend gleichen Personen zu einem „Neuaufbau des Vertrauens“ führen? Zu glauben, Neuwahlen könnten das „Vertrauen“ wiederherstellen und sogar zu einem „Neubeginn“ führen, ist mehr als naiv.

 

Worum es wirklich geht, das erklärt uns der Bundespräsident ganz direkt: „Es geht jetzt ausschließlich um das Wohl unseres Landes und um unser Ansehen Österreichs in der Europäischen Union und der ganzen Welt.“ Über Wohl und Wehe zu entscheiden erfordert einen grundlegenden moralischen Diskurs und eine breit angelegte demokratische Debatte über die Grundwerte unseres Landes. Diese fehlt und wurde auch vom Präsidenten van der Bellen nicht in die Wege geleitet. Dagegen kann man sehr schnell zur Erkenntnis gelangen, dass das „Ansehen Österreichs“ beschädigt wurde. Ansehen sollte ein Land durch Leistungen seiner Regierung und nicht durch überhastetes Reagieren erreichen. Ansehen über Neuwahlen zu regenerieren ist daher reine Symbolpolitik nach außen.

 

Ad Bundeskanzler Sebastian Kurz (zitiert nach Transkription von neuwal.com)

 

Wie ein Musterschüler bedankt sich Kurz zwei Mal beim Bundespräsidenten für das Gespräch. Betragensnote: Sehr gut! Neben dem Konsens über die Neuwahl-Entscheidung stellt er einen Grundwert ins Zentrum seiner Ansprache: Aufklärung.

 

„Wichtig ist jetzt - und das ist das oberste Gebot - volle Aufklärung sicherzustellen. … Wir werden gemeinsam sicherstellen, dass es alle Rahmenbedingungen gibt die notwendig sind, um diese lückenlose Aufklärung sicherzustellen. Und auch alle Rahmenbedingungen schaffen, dass diese Aufklärung unabhängig und transparent stattfinden kann.“ Was will der Kanzler mit der Aussage „Wir werden gemeinsam sicherstellen...und alle Rahmenbedingungen schaffen“ sagen? Hätte er etwa Mittel in der Hand, die unabhängigen Untersuchungen der Staatsanwälte zu beeinflussen? Oder hat sonst jemand in unserer Demokratie solche Mittel in der Hand, die eine Initiative des Kanzlers erfordern, die Rahmenbedingungen erst zu schaffen? Wie auch immer diese Rahmenbedingungen ausschauen werden, Neuwahlen sind mit Sicherheit nicht der geeignete Rahmen für eine lückenlose Untersuchung. Und schon gar nicht für Aufklärung!

 

Es wäre dringend an der Zeit, nachdem diese Regierung immerhin Ethikunterricht an den Schulen eingeführt hat, endlich Ethikunterricht für alle Politiker zum Pflichtfach zu machen. Die erste Lektion müsste lauten: Entrüstung war noch nie ein Beitrag zur verbalen Abrüstung, sondern ganz im Gegenteil! Ein Land im ständigen Wahlkampfmodus wird diese Lektion aber wohl kaum lernen. Auch der Appell des Bundespräsidenten „dass Stabilität und Vernunft unsere obersten Handlungsmaximen“ sein sollen, wird in dieser Atmosphäre ungehört verhallen.

 

Kurzfassung des Kommentars erschienen in Wiener Zeitung am 20. Mai 2019

Siehe auch Kommentare zu diesem Kommentar DIE EWIGE WIEDERWAHL DES GLEICHEN auf fischundfleisch.com

 

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