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(30.11.06) Ehemals Kunst für Einsteiger, findet die Druckgraphik heute wieder vermehrt Anhänger bei durchaus zahlungskräftigen Sammlern, die begeistert sind von den einmaligen technischen und gestalterischen Möglichkeiten dieses Mediums.

Malen gegen die Zeit” ist der Titel der Picasso-Ausstellung in der Wiener Albertina, die noch bis Anfang Jänner läuft. Zur Überraschung mancher Kritiker verkündete Direktor Klaus Albrecht Schröder bei der Eröffnung den programmatischen Anspruch: „Wir wollen die Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Medien – Druckgraphik und Malerei – zeigen.” Und das ist dem Kurator und intimen Picasso-Kenner, Werner Spies, hervorragend gelungen. Für Spies war diese Gegenüberstellung nicht nur Programm, sondern heilige Verpflichtung, denn mit 50.000 Zeichnungen und einer Million Druckgraphiken ist die Albertina „ein Haus, in dem die Zeichnung eine vatikanische Präsenz hat”, wie er ehrfurchtsvoll erklärte.

Rund 280 Druckgraphiken von Picasso liegen im Archiv der Albertina. Diese sind allerdings in der aktuellen Ausstellung, die den letzten zehn Lebensjahren des Künstlers gewidmet ist, nicht zu sehen. Philipp Maurer, Chefredakteur von Um:Druck, der Zeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur, kritisiert daher, dass Schröder allzu sehr auf Blockbuster setzt, anstatt den weltweit einzigartigen Bestand des Museums besser zu präsentieren. „Die Albertina organisiert laufend extrem teure Ausstellungen, für Ankäufe bleibt da kein Geld mehr. Das Rote Kreuz mit seiner Druckgraphik-Edition ist für zeitgenössische Künstler mittlerweile wichtiger als das weltweit führende Museum auf diesem Gebiet“, so Maurer, der sich seit 20 Jahren hauptberuflich mit der Druckgraphik beschäftigt.

Dabei ist die Rot Kreuz Edition keine singuläre Erscheinung. Die Künstler Eva und Rudi Hörschläger organisierten vergangenen Sommer bereits zum vierten Mal ein Druckgraphik-Symposion, bei dem eine Sammelmappe mit Arbeiten von zwölf Künstlern aus Österreich und Zentralasien produziert wurde. Der Salzburger Rechtsanwalt Nikolaus Topic-Matutin hat die Neuhauser Kunstmühle eingerichtet, wo seit wenigen Monaten nicht nur Ausstellungen laufen, sondern auch Druckmaschinen. Topic will hier die unmittelbare Zusammenarbeit von Druckern und Künstlern fördern. Die Galerie & Edition Thurnhof produziert regelmäßig Kunstbücher mit Originalgrafiken in limitierter Auflage. Zu finden sind diese und andere Kunstbücher nun auch in der Wiener Innenstadt im kürzlich eröffneten mel shop. Reinhold Sturm, Leiter der Galerie mel contemporary, wollte damit eine Lücke auf dem Wiener Markt schließen.

Philipp Maurer spricht aufgrund der aktuellen Marktdynamik von einer Renaissance der Druckgraphik, wobei er den Begriff der Druckgraphik sehr weit fasst und auch Inkjet-Prints dazu zählt. Anders steht dazu der führende Graphik-Drucker Österreichs, Kurt Zein. Nach seiner Definition ist Druckgraphik „alles was manuell hergestellt wird“, die von Computerprogrammen abhängigen Youngsters tituliert er mit nicht besonders höflichen Ausdrücken. Deftig und direkt ist Zein in seiner Sprache, kompromisslos und kreativ in der Umsetzung der Aufträge. So konnte Herwig Zens nur dank Kurt Zein sein Tagebuch, das er seit 1977 auf hunderten Einzelplatten radiert, auf einem einzigen, 40 Meter langen Bogen drucken.

Die weltgrößte Druckgraphik

Bei dem Projekt geht es darum, das Unmögliche möglich zu machen“, erzählt Zens. Die 40 Meter lange Papierrolle, auf der sämtliche Tagebuchplatten von 28 Jahren durchgehend gedruckt wurden, ist eine Spezialanfertigung. Für den Druck konstruierte Kurt Zein eine spezielle Vorrichtung, damit das Papier während des Druckens feucht bleibt und beim Druck nicht beschädigt wird. Zur Verabschiedung von Prof. Zens an der Wiener Akademie wurde diese Arbeit, die reif für das Guiness Buch der Rekorde ist, in der Aula der Akademie ausgestellt. Die Albertina wollte das Tagebuch nicht ausstellen und auch nicht erwerben, obwohl sich Zens selbst um einen Sponsor bemüht hatte. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Rolle nun ins Ausland geht.

Zeichnungen und Texte wechseln sich in den Tagebucheintragungen von Herwig Zens ab. Der Künstler schreibt auf der Platte in Spiegelschrift und sieht darin auch eine Metapher: „Die Welt des Radierers ist verkehrt, weil sie sich mit einer Technik beschäftigt, die kein Mensch mehr braucht.“ Allerdings „braucht auch niemand Free-Climber“, relativiert der Künstler seine eigene Aussage und erklärt damit, dass die Druckgraphik immer noch die Obsession mancher Künstler ist. Und zur Obsession kann die „Einstiegsdroge“ Druckgraphik auch für den Sammler werden. Auch wenn einzelne Blätter sehr günstig sind – ein Mittelformat (A4) von Zens kostet 180 Euro – so fallen oft größere Investitionen an, denn Sammler kaufen meistens Serien. Und damit kann das Sammeln von Druckgraphik auch zur langfristigen Geldanlage werden. Zens etwa hat zwei Sammler, die für monatlich 300 Euro von jeder Platte, die er radiert, einen Abzug erhalten.

Da Druckgraphiken meist eine Geschichte über mehrere Blätter oder auch über mehrere unterschiedliche Abdrucke erzählen, wird das Sammeln schnell zu einer endlosen Leidenschaft. Picasso hat oft in mehreren Zustandsdrucken die Entstehung einer Platte dokumentiert. So weckt die Entstehungsgeschichte der Grafik ebenso wie die limitierte Auflage der fertigen Grafik die Nachfrage unterschiedlicher Sammler.

Tipps für Einsteiger

Adalbert König listet in seinem Fachbuch „Erkennen Sie den Druck?“ rund 400 drucktechnische Verfahren auf, von Aquatinta über Heliogravüre, Holzschnitt, Hyalographie bis zur Zinkographie und der Zinkotypie. Nur wenige Experten kennen sich hier aus. Einsteiger sollten jedenfalls auf die Auflage achten, die auf einer zeitgenössischen Grafik nicht fehlen darf. Nummerierung der Auflage ist allerdings erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts üblich – eine nummerierte Grafik von Rembrandt wäre somit eine leicht zu entlarvende Fälschung. Auch die Qualität des säurefreien Papiers ist wichtig. Schließlich sind Preisrecherchen unerlässlich, denn ein Blatt von Paul Flora kann in Innsbruck durchaus doppelt so teuer sein wie in Wien.

Auch die Empfehlung, die Walter Koschatzky in seinem Standardwerk „Die Kunst der Graphik“ (dtv) gibt, sollte man berücksichtigen: „Jeder Sammler, Käufer und Händler müsste von jedem Blatt, das in seine Hand kommt, klar wissen: wer hat den Entwurf hergestellt, wer die Druckform, wer den Auflagendruck, wer also ist der Künstler, wer der Drucker, weiters auch, welche technische Verfahren wurden verwendet, wie hoch ist die Auflage und welche Varianten des Blatts werden gedruckt. Sowohl Begleitblätter als auch Kataloge hätten dies bekanntzugeben.“ (S. 43)

Bei Druckgraphiken sind selten großen Preissprünge zu erwarten, sie sind somit für konservativere Anleger bestens geeignet. Damit aber der Wert erhalten bleibt und langsam aber sicher steigt, sind auch elementare Regeln der Konservierung zu berücksichtigen. Die Restauratorin Sabine Fürnkranz weiß aus ihrer Erfahrung, dass viele Sammlungen entwertet wurden, weil sie falsch gelagert waren. So kleben Blätter oft am Glas oder der Rahmen hat eine säurehaltige Hartfaserplatte als Rückwand, die zum Zerfall des Papiers führt. Auch das berühmte Tixo zur Verbindung von Grafik mit dem Passepartout ist für die Restauratorin eine Todsünde. „Eine professionelle Rahmung kommt ohne Selbstklebeband aus“, erklärt Fürnkranz, die gerade daran arbeitet, Dutzende Blätter einer deutschen Sammlung vor dem Verfall zu retten.

(Eine gekürzte Fassung des Artikes erschien in der Wirtschaftszeitschrift GEWINN 11/2006

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