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17. Juni 2010 - Warum ging der Preis der IG Galerien für besondere Verdienste in der Vermittlung von Kunst in diesem Jahr an Johann Baugartner, den Leiter der hofgalerie im Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer Steiermark?

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Bei der jährlichen Auswahl des Kunstmediators stehen auch immer wieder Direktoren und Kuratoren von Museen zur Diskussion. Im Unterschied zu Direktoren und Kuratoren organisiert Baumgartner seine Ausstellungen nicht im Hauptjob, braucht in der Qualität seiner Arbeit aber keinen Vergleich zu scheuen. Im Gegenteil: immer mehr Museen reduzieren ihr Programm auf immer weniger Künstler. Man gewinnt sogar den Eindruck, dass sich die Direktoren einen Teil ihres Gehaltes dafür bezahlen lassen, dass sie wegschauen, gar nicht mehr hinschauen, was sich in der vielschichtigen Kunstszene tut, und auch nicht hineinschauen, welche Schätze sie in ihrem eigenen Museum heben könnten.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Albertina. Wofür ist die Albertina weltberühmt? Das wäre eine gute Frage für das Millionenquiz. Zur Auswahl stehen:

a) für den größten Direktor der Welt, b) für die größten Tiefspeicher der Welt, c) für das größte Terrassencafe der Welt, d) für die größte Druckgrafik-Sammlung der Welt.

Wenn man nur die Medienberichte der vergangenen fünf Jahre kennt, müsste man auf a) tippen. Geht man heute durch die Albertina, so findet man ein paar kleine Räume, wo Grafiken hängen, nicht die Originale, sondern Faksimiles. Damit vermittelt man dem Publikum: davon könnten wir euch noch mehr zeigen, wenn wir wollten – aber wir wollen nicht. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht immer eine Blockbuster Show, und da zeigt uns Albrecht der Große in der Regel Picasso, Picasso und nochmals Picasso. So war die Ausstellung „Picassos Spätjahre“ zwar auch mit Druckgrafiken bestückt, aber offenbar war unter den 280 Picasso-Grafiken im Besitz der Albertina keine einzige dabei, die dieser Show würdig gewesen wäre. Zuletzt ließ sich Schröder dafür feiern, dass er „erstmals“ die Klassische Moderne nach Österreich gebracht habe und zwar mit der Sammlung Batliner. Dem Publikum wurde die Sammlung unter dem Titel „Von Monet bis Picasso“ verkauft. Dass in dieser Ausstellung auch herausragende Werke der russischen Avantgarde, darunter Pawel Filonow, zu finden waren, wurde in keinem einzigen Pressebericht erwähnt und folglich auch von keinem einzigen Kritiker bemerkt. Aber wer kennt schon Filonow? In Österreich niemand. Würde man diese Frage bei einem Vortrag in Moskau stellen, würden natürlich 99 Prozent der Besucher die Hand heben.

Mit ihrer Ausstellungspolitik weckt die Albertina leider nicht das Interesse neuer Publikumsschichten, sondern sie leistet einen großen Beitrag zur Verblödung des Publikums. In zweierlei Hinsicht: 1) Das Museum tut so, als hätten Künstler, die nicht jeder kennt, keinerlei Bedeutung. 2) Das Museum lenkt die Aufmerksamkeit des Publikums auf immer weniger Namen, die auf dem Kunstmarkt dadurch immer teurer werden, so dass beim breiten Publikum der Eindruck entstehen muss: Kunst kann sich ein Normalverdiener nie im Leben leisten.

Bei der Sammlung Batliner, die sich nun als „Dauerleihgabe“ in der Albertina findet, stellt sich auch die Frage, wozu braucht Österreich diese Sammlung? Die Frage klingt banausenhaft, ist aber berechtigt, denn die Archivierung so einer Sammlung ist ja nicht kostenlos, aber am Ende vielleicht umsonst. Denn jederzeit kann der Stifter oder einer seiner Erben kommen und dem Museum erklären: so, das wars, die Leihgabe ist eine Leihgabe und die Dauer ist nun abgelaufen. Somit verschleudert die Albertina beachtliche Summen für Versicherungen, Transporte, Lagerung und hat kein Geld mehr für Ankäufe. Ankäufe, die die Jahrhunderte alte Sammlung würdig fortsetzen könnten, wie z.B. die größte Druckgrafik der Welt, das 40 Meter lange „Tagebuch“ von Herwig Zens. Ein Zens in der Albertina wäre natürlich eine Aufwertung für Zens, aber auch für die zeitgenössische Druckgrafik, und nicht zuletzt für die Albertina, vorausgesetzt man würde die Fortsetzung der einzigartigen Tradition des Museums als Aufgabe eines Museumsdirektors sehen.

Diese kleine Abschweifungen in die Welt der Museen erklären am besten, warum Johann Baumgartner für seine Arbeit in der hofgalerie den Preis des Kunstmediators verdient: er ist ein Ausstellungskurator, der hinschaut, der jedes Jahr Angebote von hunderten Künstlern und Künstlergruppen prüft und bei der Auswahl immer wieder ein unglaubliches Gespür für Qualität beweist. Baumgartner hat einen Ausstellungraum übernommen und seit sieben Jahren weiterentwickelt. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass jemand diese Arbeit auf diesem Niveau – neben seinem Hauptberuf in der Erwachsenenbildung – konsequent durchzieht. Es ist alles andere als selbstverständlich, immer wieder diesen Raum zu verteidigen und so der Kunst eine Oase zu sichern. Eine Oase, in der Jahr für Jahr 50.000 Besucher zur Kunst finden, viele davon, die sich sonst nicht regelmäßig oder gar nicht mit Kunst beschäftigen würden.

 

Die Kleine Zeitung berichtet am 16. Juni 2010 über den Steirer des Tages, Johann Baumgartner.

Pressebericht über die Verleihung des Kunstmediator 2010, siehe pressetext.at

Bericht in kunstradar.de am 6.6.2010

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