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Alte Meister - Neue Meister

2 Komödien in einer Collage

Von Hubert Bernhard

 

Die Leute gehen ja nur in das Museum, weil ihnen gesagt worden ist, daß es ein Kulturmensch aufzusuchen hat, nicht aus Interesse, die Leute haben kein Interesse an der Kunst, jedenfalls neunundneunzig Prozent der Menschheit hat kein Interesse an Kunst (S. 13).

Und in Galerien gehen diese Kulturmenschen nur, um bei Vernissagen ihre primitivsten Bedürfnisse zu befriedigen. Auf Kosten des Galeristen Wein trinken. Ja nicht einmal zivilisiertes Trinken kann man bei Vernissagen beobachten. Spätestens nach einer Stunde stehen nur noch Flaschen herum, leere Flaschen auf den Tischen und volle Flaschen in der ganzen Galerie, und vor der Galerie und bis auf die Straße! Der Galerist kann sich gegen die Niederträchtigkeit der Säufer und Landstreicher, die seine Galerie mit absoluter Regelmäßigkeit heimsuchen, nicht wehren. Also kann sich der Galerist nur rächen und schenkt nur den billigsten Fusel aus, was diese Säufer und Landstreicher naturgemäß niemals bemerken, weil sie schon in einem Zustand in die Galerie kommen, der ihnen gar nicht ermöglicht noch irgend etwas zu bemerken. Erst Tage oder Wochen nach einer Vernissage kommen wieder nüchterne Leute, sogenante Kulturmenschen, in die Galerie.

 

500 Thomas Bernhard in Grinzing

 

Die Russen sind voll Bewunderung. Die Polen betrachten alles mit Hochmut. Die Deutschen schauen im Kunsthistorischen Museum die ganze Zeit in den Katalog, während sie durch die Säle gehen, und kaum auf die an den Wänden hängenden Originale,

sie folgen dem Katalog und kriechen, während sie durch das Museum gehen, immer tiefer in den Katalog hinein, so lange, bis sie auf der letzten Katalogseite angelangt und also wieder aus dem Museum draußen sind.

Österreicher, insbesondere Wiener, gehen nur wenige ins Kunsthistorische Museum, wenn ich von den Tausenden von Schulklassen absehe, die jedes Jahre ihren Pflichtbesuch im Kunsthistorischen Musem absolvieren. Die Schulklassen werden von ihren Lehrern oder Lehrerinnen durch das Museum geführt, was auf die Schüler eine verheerende Wirkung ausübt, denn die Lehrer würgen bei diesen Besuchen im Kunsthistorischen Museum jede Empfinsamkeit in diesen Schülern der Malerei und ihren Schöpfern gegenüber mit ihrer schulmeisterlichen Beschränktheit ab.

… Es gibt keinen billigeren Kunstgeschmack, als den der Lehrer. (S. 49ff) Und es gibt keinen teureren Kunstgeschmack als den der Superreichen und Halbsuperreichen aus Amerika, China und Russland, die den Kunstmarkt leer kaufen, wie es heißt. Diese Superreichen und Halbsuperreichen zahlen Unsummen für die gefragtesten Künstler, die zu gewissen Zeiten, wenn es Mode ist, ganz einfach bis zu einer welterregenden Ungeheuerlichkeit aufgeblasen werden (S. 72). Scheinbar zahlen sie ein Vermögen, in Wahreit aber nur Peanuts. Bei ihren kriminellen Börsengeschäften und Finanztransaktionen stopfen sich die amerikanischen und chinesischen und russischen Finanzhaie ihre unersättlichen Riesenmäuler mit Peanuts voll und kaufen sich damit die teuersten Bilder, die sie in den korruptesten und verrottetsten Auktionshäusern in London und New York finden können. Den teuersten Kunstgeschmack jedoch haben die reichen Österreicher mit ihrem ordinären Reichtum, der seit Generationen, von Generation zu Generation immer kleiner wird, während deren Allüren von Generation zu Generation immer größer werden. Diese provinziellen Reichen mit ihren mikrigen Besitztümern befriedigen ihre Allüren in den Wiener Auktionshäusern, wo sie sich bei jeder Versteigerung hineinsteigern um die bedeutungslostesten und wertlostesten Bilder, die sie sich in Wahrheit schon längst nicht mehr leisten können, zu ersteigern. Diese Großgrundsbesitzer, Industriellen, Notare und Sektionsleiter schleppen ihren Provinzmief wie die Pest seit Generationen nach Wien.

Diese Lodenmantelträger (original: Die Lehrer) sind die Handlanger des Staates - und wo es sich wie bei diesem österreichischen Staat heute um einen geistig und moralisch total verkrüppelten handelt, um einen der nichts alsVerrohung und Verrottung und das gemeingefährliche Chaos lehrt, sind naturgemäß auch die REICHEN (original: Lehrer) geistig und moralisch verkrüppelt und verroht und verrotet und chaotisch. Dieser katholische Staat hat keinen Kunstverstand und also haben auch die REICHEN (original: Lehrer) dieses Staates keinen oder haben keinen zu haben, das ist das Deprimierende. (S. 53)

Die Reichen sind Handlanger der Herrschenden und die Künstler sind ihre Speichellecker. Es gibt nichs Widerlicheres für mich, als die gemalte Herrschaft. Herrschaftsmalerei, sonst nichts (63), egal wohin man schaut, dieser schauerliche Dürer, dieser Nürnberger Zieselierkünstler (62), ... El Greco hat niemals auch nur eine einzige Hand malen können, El Grecos Hände schauen immer aus wie schmutzige nasse Waschlappen (304), ... Veronese, schön, aber der gute Mann hat kein natürliches Gesicht malen können (44). ... Klimt... reinster Massenhysterie erzeugender Kitsch, ... heute kostet selbst ein schwaches Klimtkitschgemälde mehrere Millionen Pfund (225). ... Picasso, in seiner Jugend ein Alter Meister, wurde mit jedem Jahr seines Lebens infantiler, bis zur absolut unheilbaren infantilen Degenerierung, bis zur perzeptiven Deprivation.

Zdrahal, der Wiener Künstler-künstler, Apologet von Velazquez, Rembrand, Vermeer und jedem Alten Meister, der ihm unter die Finger kommt, jedes seiner Originale ist ja eigentlich an sich schon eine Fälschung (118), dieser Velazquez-Rembrand-Vermeer-Verschnittkünstler schreckt nicht einmal davor zurück Klimtkitschgemälde zu entlüften um sie vom Habsburger Mief, der unaufhörlich aus der Kaiserkruft und dem Kunsthistorischen Museum und sogar aus dem Belvedere bis in alle Fugen der Secession kriecht, zu befreien. Den größten Mist aber machen die österreichischen Bildhauer, die österreichischen Bildhauer machen den größten Mist und ernten dafür die größte Anerkennung (219). Nein, nein, die Künstler und sind es die wichtigsten und sozusagen die größten, sind nichts als kitschig und peinlich und lächerlich (127).

 

Nachsatz: Ich kann euch versichern, jeder, der solche Texte schreibt, ist völlig aggressionsfrei – danach naturgemäß.

 

Ergänzung 12.2.2018 auf fischundfleisch.com - Todestage. Heute: Thomas Bernhard

 

 

 

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