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3.6.2017 - „Zwei Tassen Kaffee“ könnte der Titel dieses Beitrags lauten, würde es hier nur um die Gegenwart, den Office-Report 2017, gehen.

Doch was bringt die Zukunft?

Damit beschäftigt sich die Untersuchung „Artificial Intelligence and Robotics and Their Impact on the Workplace“. a3 ECO Autor Hubert Thurnhofer hat die Studien analysiert.

(erschienen im Unternehmermagazin a3 ECO 6 / 2017)

   

„Tele Working, Home Office und Desk Sharing sind die Trends, die den Büroalltag in Zukunft radikal verändern werden.“ Dieser Satz stammt aus dem Wirtschaftsmagazin a3 ECO, Ausgabe 6-7, ich selbst hab ihn geschrieben, und zwar im Jahr 1996! Der Titel damals: „Im Büro zu Hause“. Genau 21 Jahre später präsentiert Marketagent.com den aktuellen Office-Report und die Themen Tele Working, Home Office und Desk Sharing kommen darin gar nicht vor.

 

Der Grund könnte darin liegen, dass der Trend zum Home Office vor 20 Jahren deutlich überschätzt wurde. Oder umgekehrt: das Thema ist nicht mehr aktuell, weil wir dank Smartphone ohnehin rund um die Uhr erreichbar sind. Büro – das ist immer und überall. So lautet das erste Ergebnis der Office-Studie: jeder (und jede) Dritte ist bereits vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn im Büro, nämlich beim Frühstück oder auf der Fahrt zur Arbeit, wobei 24,2% E-Mails lesen, 10,8% auch beantworten und 10,3% berufliche Telefonate durchführen.

 

Zumindest den Gedanken ans Büro lehnen die meisten Menschen auch zuhause nicht ab, immerhin 34,7% freuen sich sehr oder eher auf den Tag im Büro, 41,4% mittelmäßig, 16,6 % eher weniger und nur 7,3% überhaupt nicht. Durchschnittlich haben die Österreicher eine Anfahrtszeit von 25 Minuten. Immer noch 59,5% legen den Weg ins Büro mit dem Auto zurück (Zwischenruf: politisch korrekt ist das nicht!), 30% nutzen die Öffis, 12,8% gehen zu Fuß und 3,8% nehmen das Fahrrad.

 

Folgende Ergebnisse des Office-Report 2017 finde ich beachtenswert:
Im Mittel hatte man im Laufe des Arbeitstages 1 Meeting und knapp 2 Stunden in diesem verbracht.
Im Mittel werden die Meetings zu 70% als produktiv bewertet.
Im Mittel war man 40% der Zeit, die man in Meetings verbracht hat, aktiv.

 

Im Umkehrschluss bedeutet die letzte Aussage: 60% der Meetings sind verlorene Zeit, Passivzeit sozusagen. Wie stark sich Kaffee auf die Aktivität bei und die Produktivität von Meetings auswirkt, wurde nicht erhoben. Allerdings wissen wir dank Office-Report, dass pro Arbeitstag im Durchschnitt 2 Tassen Kaffee getrunken werden, wobei allerdings 26,4 Prozent der Mitarbeiter Kaffee-Abstinenzler sind. Aber das ist ein anderes Thema.

 

Unter der Prämisse, dass nur produktiv sein kein, wer aktiv ist, lohnt es nachzurechnen, was das Verhältnis 40% aktiver Zeit zu 70% Produktivität aussagt. Das klingt in Bezug auf einen einzelnen Meeting-Teilnehmer relativ effizient, wenn aber zwei Personen im Meeting waren (weniger geht normal nicht!), so kamen sie gemeinsam auf eine  Produktivität von 70% bei 80% Aktivität und 200% Arbeitszeit. Wenn drei Personen im Meeting waren, so ist die Produktivität immer noch 70%, denn dieser Wert bezieht sich ja auf das Meeting als Ganzes, nicht auf die Produktivität der einzelnen Teilnehmer. Demnach ist der Output von drei Personen: 70% Produktivität bei 120% Aktivzeit bei 300% Arbeitszeit schon ziemlich ungünstig. Man muss also davon ausgehen: je mehr Personen in einem Meeting sitzen umso unproduktiver wird die Veranstaltung. Eine Erkenntnis, für die sich die genaue Lektüre dieser Studie gelohnt hat.

 


AI und die Zukunft der Arbeit

Marketagent.com hat die Befragungen für den Office Report 2017 im März mit der CAWI-Methode (Computer Assisted Web Interviews) durchgeführt. Sind dafür überhaupt noch Interviewer nötig? Die Frage der Zukunft wird allerdings lauten: sind für eine Studie überhaupt noch Respondenten nötig? Diese Frage kann vielleicht die Untersuchung „Artificial Intelligence and Robotics and Their Impact on the Workplace“, die das IBA Global Employment Institute Ende April veröffentlicht hat, beantworten. So erfahren wir hier:

 

„Ein Drittel  aller Stellen, die einen Bachelor-Abschluss erfordern, können künftig von Maschinen oder intelligenter Software ausgeführt werden. Einzelne Arbeitsplätze werden komplett verschwinden und neue Arbeitsplätze werden entstehen. Je schneller der Prozess der Arbeitsteilung fortschreitet und je besser Arbeitsprozesse und Arbeitsschritte im Details beschrieben werden können, umso eher können Mitarbeiter durch intelligente Algorithmen ersetzt werden.“ Ich bin überzeugt, schon heute könnte man mindestens jeden zweiten Teilnehmer eines Meetings durch einen Roboter ersetzen. Die Anforderungen an den Algorithmus sind sehr gering, denn so ein  Roboter muss bei bestimmten Stichworten nur mit dem Kopf nicken.

 

Der IBA-Report bietet einen Überblick über den grundlegenden Wandel des Arbeitsmarktes, ausgelöst durch Artificial Intelligence (AI). Zunächst wird zwischen „schwacher“ und „starker“ künstlicher Intelligenz unterschieden. Schwach ist AI, wenn der Computer bloß kognitive Prozesse nachmacht oder Intelligenz simuliert. Als starke AI bezeichnen die Autoren selbstlernende Computer, die imstande sind sich automatisch mit anderen Maschinen zu vernetzen. Die Experten sprechen von Deep Learning: Wenn in einem großen Netz einem Computer ein Fehler passiert, so merken andere Computer dies umgehend und künftig werden alle Computer diesen Fehler vermeiden. So könnten Computer auf lange Sicht jedem menschlichen Experten überlegen sein.

 

Wirtschaftlichen Nutzen sehen die Autoren der IBA-Studie in folgenden Bereichen:
Robotisation: Roboter arbeiten günstiger und präziser als Menschen. Zwei gewichtige Gründe um die Menschen zu ersetzen. In Südkorea kommen bereits 437 Roboter auf 10.000 menschliche Arbeitskräfte, Japan (323) und Deutschland (282) folgen weit abgeschlagen.
Dematerialisation: Traditionelle Backoffice-Aktivitäten sind nicht mehr gefragt. Autonome Software sammelt notwendige Informationen und sendet sie an den Mitarbeiter, der sie braucht. Schon jetzt werden traditionelle physische Produkte wie CDs oder DVDs durch Streaming-Dienste ersetzt. Als nächstes werden traditionelle Event-Tickets, Fahrkarten und Bargeld durch kontaktlose Bezahlung per Smartphone ersetzt.
Gig economy: Ein Anstieg der Selbständigkeit ist typisch für die Zukunft der Arbeit. Bezahlung nach Auftrag (Gig), Crowdworking und Work on Demand heißen die künftigen Arbeitsmodelle. Auf Deutsch: Viele selbstständige Arbeiter führen unterschiedliche Aufträge für verschiedene Kunden aus. Der Fahrdienst Uber, der Essenslieferdienst Deliveroo und das Putzkräfteportal Helpling zeigen schon heute, was uns erwartet.
Autonomous driving: Die Weiterentwicklung von Navigationsgeräten und Sensoren wird nicht nur Taxilenker und Lkw-Fahrer überflüssig machen, sondern auch andere Mitarbeiter in der Lieferkette.

 

Für den nächsten Schritt Richtung Industrie 4.0 ist die Integration von Cyberphysikalischen Systemen (CPS) notwendig. Dabei geht es um Netzwerkverbindungen zwischen Menschen, Maschinen, Produkten, Objekten und der IT. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre sind weltweit über 50 Milliarden vernetzte Maschinen zu erwarten“, so die Studie, die vier Stufen der Automatisierung nennt:
1. Die Produktion wird von Maschinen kontrolliert.
2. Real Time Produktion
3. Dezentralisierung der Produktion
4. Individualisierte Produktion nach Kundenwunsch

 

Trotz fortschreitender Automatisierung der Industrie scheint der Optimismus der Industriearbeiter ungebrochen: „Nur 11 Prozent der US-Mitarbeiter gehen davon aus, dass sie ihre Arbeit wegen intelligenter IT-Systeme oder Produktionsroboter verlieren werden.“ Dagegen sprechen freilich die Zahlen, die relevant sind, wenn es um das das Wichtigste unserer Wirtschaft geht: Gewinnmaximierung. „Während die Stunde eines Fabrikarbeiters in Deutschlands Automotive-Industrie mehr als 40 Euro kostet, kostet der Einsatz von Robotern zwischen fünf und acht Euro pro Stunde. Ein Produktionsroboter ist sogar billiger als ein Arbeiter in China. Dazu kommt, dass ein Roboter nicht krank werden und keine Kinder bekommen kann, keine Streiks organisiert und auch keinen Anspruch auf Urlaub erhebt.“

 

OECD: 7 Millionen Jobs weniger

Dezentralisierung und Individualisierung der Produktionen könnten dazu führen, dass viele Konzerne die Produktion zurück in das Ursprungsland holen. Dies könnte zu einem Fluch für die Niedriglohnländer China und Indien werden. Grundsätzlich sehen die Studienautoren die westlichen Industrieländer als Gewinner von Industrie 4.0, doch auch hier droht der Verlust von Arbeitsplätzen: „Es ist davon auszugehen, dass allein in den OECD-Ländern in den kommenden fünf Jahren sieben Millionen Jobs verloren gehen werden. Im Vergleich dazu sind zwei Millionen neue Jobs zu erwarten.“

 

Zu den Jobs, die verloren gehen, gehören alle, die mehr oder weniger monotone Routine sind, egal ob im Bankensektor oder einfache Handarbeit. „Die betroffenen Mitarbeiter könnten auf andere Positionen versetzt werden, zum Beispiel in den Vertrieb, in die IT-Abteilung oder bei kreativen Forschungsaufgaben zum Einsatz kommen.“ Dieser Vorschlag ist wohl gut gemeint, widerspricht jedoch der Prämisse, dass auch in den Büros die Jobs weniger werden. Insbesondere jene, auf die man einen Handwerker umschulen könnte.

 

Die gute Nachricht: Barkeeper wird die Welt auch in Zukunft brauchen, obwohl ein Roboter schon heute Drinks mixen, Bestellungen aufnehmen und weiterleiten, und die Rechnung kassieren kann. Prinzipiell liegt – nach Einschätzung der Studienautoren – das Risiko, einen Barkeeper durch einen Roboter zu ersetzen, bei 87%. Doch: „Aufgrund mangelnder Akzeptanz bei den Kunden und der hohen Anschaffungskosten ist es sicher, dass 87% aller Barkeeper ihren Job nicht verlieren werden.“ Nachsatz: „In den kommenden paar Jahren.“

 

Langfristig sollten demnach auch Barkeeper über eine Neuorientierung nachdenken. Und da kann man nur eine Empfehlung aussprechen: der Job der Zukunft heißt Data Scientist. Seine Aufgabe besteht darin, den Rohstoff der Zukunft, Big Data, zu analysieren. Dazu gehört die Datenrecherche, die Analyse ihrer Struktur und Herkunft, die Ergänzung unvollständiger Datensätze und die Verlinkung von Daten. Wahlweise kann unser Barkeeper auch zum Data Developer werden und sich mit der Einrichtung, Verarbeitung und Speicherung riesiger unstrukturierter Datenmengen beschäftigen. Und die besonders Kreativen können sich zu Data Artists umschulen lassen, und dafür sorgen, dass die Daten auch verständlich dargestellt werden.

 

Überleben werden auch alle bisherigen IT-Berufe, Medienberufe (Entertainment), Juristen, Mediziner, Pflege- und Sozialberufe. Und Lehrer, nicht nur in den Schulen, sondern auch in der Erwachsenenbildung. Die sollen ihren Schülern vor allem strategisches Denken beibringen. „Außerdem gewinnen Kreativität und Flexibilität an Bedeutung. In Zukunft wird von Mitarbeitern kritisches und problemorientiertes Denken vorausgesetzt.“ Das erinnert mich an das Zitat „Denken und Sein werden vom Widerspruch bestimmt.“ Wo hab ich das bloß gelesen? Ja doch, bei Aristoteles.

 

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