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Vor den Wahlen schickte die Wir-danken-dem-lieben-Gott-Rauch-Kallat eine E-Mail an Kulturinteressierte, die uns direkt mit einem Video verlinkte, in dem Franz Morak erklärte, dass er auch diesmal Wolfgang Schüssel wählen werde. Was Morak allen Kulturinteressierten verschwieg: Welches Kulturprogramm will die ÖVP künftig umsetzen? Setzt sich Morak gar für die steuerliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen ein?

Ende Oktober wurden in einer Nacht- und Nebelaktion fünf handverlesene Journalisten zur Präsentation der Studie „Ökonomische und fiskalische Effekte von Kunst- und Kultursponsoring“ geladen. Nun sind endlich die Auswirkung der, wie man mit Staunen liest, „vom Staatssekretariat für Kunst und Medien vorgeschlagenen Gesetzesänderung“ bekannt: Sollten Kunstankäufe und Spenden zur Durchführung von kulturellen Aufgaben absetzbar sein und sollte für Leistungen im Rahmen des Denkmalschutzes die Umsatzsteuer rückvergütet werden, dann würde das dem Finanzminister maximal 60 Millionen Euro kosten. Aufgrund von Kompensationen „dürfte der tatsächliche Ausfall allerdings deutlich geringer sein“.

Mit einem Umfang von 71 Seiten wurde uns hier die dürfte-igste Studie seit Erfindung des WIFO aufgetischt. Was tatsächlich der Fall ist, sagt uns die Studie, die eher den Namen „Spekulatie“ verdient, nicht. Überhaupt ist das, was die Studie nicht sagt, wesentlich umfangreicher, als das, was sie sagt. Exakt sechs von 71 Seiten beschäftigen sich mit den budgetären Auswirkungen der „vorgeschlagenen Maßnahmen“. Der Rest der Beiträge redet zielgenau an der Sache vorbei. Wenn das die Studie ist, für deren Erstellung zwei Jahre nötig waren, so ist jeder Steuer-Cent, der dafür rausgeworfen wurde, ein Cent zuviel.

Auf  insgesamt 47 Seiten wird über „Kunst- und Kulturförderung im internationalen Vergleich“ anhand von Daten berichtet, die „fast ausschließlich aus dem Internet“ stammen. Hier wurden Informationen aus fünf EU-Ländern und der Schweiz zusammen geschludert, die uns in Österreich leider keinen Millimeter weiterbringen. Die oberflächliche Materialsammlung stellt keinen einzigen Vergleich mit Österreich her, und liefert daher auch keinen einzigen Impuls für eine Neuorientierung der österreichischen Kunstpolitik.

Knapp fünf  Seiten benötigt Michael Böheim für seine „ökonomische Begründung staatlicher Kunstförderung“. Noch nie wurde überzeugender dargestellt, warum staatliche Kunstförderung notwendig ist: „Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Rechtfertigung von staatlicher Kunst- und Kulturförderung sowohl auf Argumente hinsichtlich des Charakters von Kunst als öffentlichem Gut, aber auch auf die überzeugende, wenn immer möglich quantitativ untermauerte Demonstration von potentiellen externen Effekten wird zurückgreifen müssen, um überzeugend zu sein.“  Dass diese Conclusio identisch ist mit den beiden Prämissen, die Böheim voranstellt, macht seinen Beitrag argumentativ einfach unschlagbar.

Eine „Marktabschätzung Bildende Kunst zeitgenössischer, österreichischer Kunstschaffender“ liefert Norbert Knoll. Endlich nähert sich ein Beitrag dem Kern des Problems an, freut sich der Leser, denn „inhaltlich wird eine Einschränkung auf Kunstgegenstände der Bildenden Künste vorgenommen“. Anstatt jedoch Zahlen auf den Tisch zu legen, serviert uns Knoll seine „Abschätzungen“. Das Fundament seiner Abschätzungen sind: „mangelhafte statistische Erfassung des Produktions- bzw. Transaktionsvolumens von Bildender Kunst“, fehlende „verlässliche (und offizielle) Erfassung jährlich stattfindender Transaktionen mit Kunstgegenständen“, sowie „Mängel statistischer Erfassung“.

Es ist durchaus verständlich, dass man ohne entsprechende Erhebungen schwer das Volumen eines bestimmten Markt-Segmentes abschätzen kann. Nicht verständlich ist jedoch, dass das WIFO einen Auftrag für eine Studie erhält und es nicht der Mühe Wert findet, diese Zahlen zu erheben. Die Qualität von Knolls Beitrag entlarvt sich endgültig, wenn er in einer Fußnote schreibt: „Für Werkankäufe des gesamten öffentlichen Sektors fehlen exakte Daten.“ Wenigstens in diesem Bereich hätte das WIFO ohne komplexe, statistische Hochrechnungen zu einem eindeutigen Ergebnis kommen können. Die triviale Beherrschung der Addition hätte gereicht, um die Zahlen der Kunstberichte der Länder und des Bundes zusammen zu zählen.

Knoll rechnet mit einem jährlichen Handelsvolumen mit Werken zeitgenössischer österreichischer Kunstschaffender  von 700 bis 1.000 Millionen Schilling (jawohl, er rechnet noch mit Schilling!).  Diese Annahmen „sind vor dem Hintergrund deutscher Literatur und von Interviews mit Mitarbeitern aus Galerien … als plausibel zu betrachten“, so Knoll abschließend. Die bei der Präsentation der Studie Ende Oktober anwesenden Galerien-Vertreter haben dies mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, denn keiner konnte sich an ein Interview im Kontext dieser Studie erinnern.

Um diese Chuzpe der Öffentlichkeit vorzustellen, sind Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und Kunststaatssekretär Franz Morak gemeinsam aufmarschiert. Wenn sich das Gewicht dieser Politiker direkt proportional zum Gewicht dieser Studie verhält, so stellt sich die Frage, was das für die Zukunft von Kunst und Kultur in Österreich bedeutet. Trost bietet da nur noch das Buch der Weisen: Jeder Kunstmarkt erhält die Studie, die er verdient.

Wiener Kunsthefte, Dezember 2002

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