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Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, hier mal über den österreichischen Tellerrand hinaus zu blicken und über meinen jüngsten Besuch des Vatikan zu berichten. Dort nämlich hatte ich die Möglichkeit, Kunst zu bewundern, die bereits Jahrhunderte überlebt hat und die alle Jahrhunderte überleben wird, die der Menschheit noch gegeben sind. Kunst, bei der nicht die Frage im Mittelpunkt steht, ob es sich denn eigentlich um Kunst handle. Kunst, die die Intentionen des Auftraggebers nicht in Frage stellt, sondern außer Kraft setzt, da sie das intentierte Höhere nicht repräsentiert, sondern eigentlich selbst ist. Kunst, die in ihrer obsessiven Omnipräsenz nicht zuletzt DEN blass ausschauen lässt, zu dessen Ehre sie geschaffen wurde.

Eigentlich wollte ich hier die bis in die kleinsten Nuancen vollkommenen Kunstwerke im Vatikan beschreiben, die Wechselbeziehungen zwischen Detailverliebtheit und dem Monumentalismus der Peterskirche analysieren, die diesem Monumentalismus innewohnende Hybris aufdecken und in Frage stellen, warum ein paar tausend Jahre nach Babylon die Renaissance der babylonischen Hybris nicht zum Sturz und Zerfall des Katholizismus geführt hat. Nicht zuletzt wollte ich hier dem Phänomen auf den Grund gehen, wie es möglich war, dass zu einer Zeit, als Vertreter des heliozentrischen Weltbildes für ihre Erkenntnisse verbrannt wurden gleichzeitig die damaligen bautechnischen Grenzen offenbar mit einer Leichtigkeit überwunden wurden, als hätte man alle physikalischen Gesetze dadurch außer Kraft gesetzt, dass man sie einfach nicht akzeptierte.

Schließlich wäre das Resümee unausweichlich gewesen, dass die Katholische Kirche heute als Auftraggeber künstlerischer Leistungen eigentlich nicht mehr in Frage kommt, weil das Feld der Grenzüberschreitungen dem sakralen Bereich abhanden gekommen ist, da heute Grenzüberschreitungen in allen möglichen Bereichen der Natur und des Kosmos stattfinden und von Wissenschaft und Technik vorangetrieben werden, während der Kirche nur die Bewahrung transzendentaler Phänomene der Vergangenheit bleibt und somit die eigentliche Leistung der heutigen Kirche in der Restauration und Vergegenwärtigung des Allgegenwärtigen vergangener Zeiten besteht. Denn eigentlich hat die Gegenwart - und nicht nur die Gegenwartskunst - grundsätzlich keinen Platz mehr im heutigen System der Kirche.

Das nun wäre eigentlich der ganze Inhalt dieser Kolumne gewesen, wenn nicht kurz vor Redaktionsschluss eine Einladung zu einer Vernissage im Stift Admont auf meinem Schreibtisch gelandet wäre. Dort hat Museumsleiter Michael Braunsteiner eine Ausstellung mit Werken des Otto-Mauer-Preisträgers von 1981, Alfred Klinkan, zusammengestellt. Das Stift hat in den letzten Jahren über 25 Gemälde des 1950 in der Steiermark geborenen und 1994 bereits 44jährig verstorbenen Künstlers für seine Sammlung erworben. Diese überwiegend großformatigen Werke aus den 70er Jahren bis in die 90er Jahre bilden den Grundstock für die Ausstellung. Leihgaben – darunter noch nie gezeigte Künstlerbücher und Zündholzschachtelbilder – ergänzen dieses Konvolut.

Beeindruckend ist aber nicht nur diese Jahresausstellung, sondern auch die Initiative des Stiftes, den Dialog mit zeitgenössischer Kunst aufzunehmen und den gesamten Museumsbereich, der mit seiner Barockbibliothek ein weltbekanntes Juwel enthält, völlig neu zu gestalten. Hier kann man nun neueste Arbeiten bekannter österreichischer Künstler finden, ein eigener Raum ist Werken von Hannes Schwarz gewidmet, sicher für viele Besucher eine Neuentdeckung. Einmalig für Admont ist, dass im Stift buchstäblich und symbolisch alte Mauern nieder gerissen wurden, um der zeitgenössischen Kunst Platz zu machen.

Spannend ist aber auch der didaktische Bereich, in dem die Geschichte der Benediktiner und ihr Selbstbild in unserer Zeit dargestellt werden. Peter Hans Felzmann hat neben der Bibliothek innovative multimediale Ensembles für die Präsentation des Stiftes eingerichtet. In drei gesonderten Räumen werden den Besuchern mittels neuester Mediatechniken Filme über das Leben und die Regel des Hl. Benedikt sowie interaktiv abrufbar die Stiftsgeschichte präsentiert. Wirklich beeindruckend ist dabei eine Spiegel-Installation, in der der Betrachter der Multimedia-Show buchstäblich in die Welt der Benediktiner eintaucht. So wie schon die Bibliothek als Gesamtkunstwerk des Spätbarock geplant war, hat Felzmann ein zeitgemäßes Gesamtkunstwerk geschaffen, das die Ideenwelt der Auftraggeber in Form und Inhalt nicht nur abbildet, sondern im besten Sinne des Wortes transzendiert.

Im Vergleich zum Vatikan ist das Stift Admont mit seinem Museum ein alpines Pfingstwunder. Während in großen Teilen Europas die Vergangenheit der Katholischen Kirche in Kunst und Kultur allgegenwärtig ist und dadurch die Gegenwart völlig ausgeblendet wird, ist in Admont ein Dialog mit der Gegenwart gelungen, in dem die Vergangenheit nicht sofort ausgeblendet wird, wie das umgekehrt in der „profanen“ Museumspolitik, die oft all zu gegenwärtig nach den neuesten Modetrends schielt, geschieht. So kann man dem Stift Admont nur viele Katholische Würdenträger als Besucher wünschen, die hier – es ist nicht übertrieben – ein katholisches Zukunftsmodell vorfinden.

Wiener Kunsthefte, Juni 2004

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